Vertrauen ins Universum???

An dieser Stelle möchte ich mal was zu dieser Sache mit dem Vertrauen ins Universum schreiben. Das klingt gross. Vielleicht an dem Punkt, an dem du gerade im Leben stehst, auch unrealistisch. Naiv. Und trotzdem ist es genau das, was mich bis hierher gebracht hat. Was mich nie aufgeben lässt.
Ich umschreibe dir hier meine Lebensphilosophie, das, woran ich glaube. Und warum das, im Zusammenhang mit Krisen, mit dunklen und schweren Zeiten für mich Sinn macht.

In meiner Kindheit bin ich christlich – reformiert erzogen worden.
Im Verlauf meines Lebens ging ich dann auf die Suche nach meinem persönlichen Glauben, oder vielleicht einer Erweiterung des Glaubens, denn immer weniger konnte ich das, was ich über das Leben herausfand, mit dem vereinen, was einem da teilweise konservativ von der Kanzel heruntergepredigt wurde. Auch hier gibt es natürlich himmelweite Unterschiede, und in unserem kleinen Dorf war ein Pfarrer, den ich sehr mochte und der grandios predigte. 
Vor allem gegen den Strich gingen mir aber Leute, die in der Kirche so fromm taten und im täglichen Leben genau das Gegenteil davon lebten. In der Kirche Liebe. Im Alltag Hass. 
"Ich hasse meinen Nachbarn." 
"Meiner Schwägerin werde ich nie verzeihen können."
"Dem wünsche ich die Pest an den Hals."

Was soll diese Art von Glauben?

Ich verneige mich vor allen, die ganz tief an Gott und Jesus glauben, viel Kraft daraus ziehen und Nächstenliebe leben. Gott ist ja letztendlich auch für jeden von uns etwas anderes. Ich finde es sehr spannend, mit verschiedenen Leuten über ihren Glauben zu reden, herauszufinden, wo sich Gemeinsamkeiten feststellen lassen, denn die gibt es ja sehr wohl. Allerdings ist es auch hier wieder eine zuweilen heikle Gratwanderung zwischen dem Respektieren der Meinung des Anderen und dem Belehrenwollen, dem Wissen was richtig und falsch ist.
Auf keinen Fall ist es hier meine Absicht, irgend jemandem auf den Schlips zu treten, jemanden zu beleidigen oder zu verletzen. Jeder soll, solange es niemandem schadet, an das glauben was er will und für richtig hält.
Und schon sind wir mitten im Minengelände. Aufgrund des Glaubens Leute umbringen, verfolgen, Frauen in Schleier hüllen und unter Burkas verbannen oder gar beschneiden?
Geht ja gar nicht. Da fängt das „schaden“ an. Und hört für mich das Gute am Glauben auf.
Wie auch immer, hier soll es nicht um verschiedene Religionen oder Glaubensrichtungen gehen, oder darum, sie zu zerpflücken, sondern um das, was ich im Verlauf meines bisherigen Lebens für mich persönlich herausgeschält habe.

Auf das Risiko hin, mich auf dünnes Glatteis zu begeben:
Ich glaube an die Wiedergeburt. Nein, ich bin keine Buddhistin. Ich möchte mich eigentlich auf keine der Weltreligionen festnageln lassen. Ich kann viel anfangen mit den Gedanken der Mystiker.
Ich glaube an die Wiedergeburt der Seele. Für mich ergibt es mittlerweile am meisten Sinn, dass unsere Seele sich in einem Körper, in einem Leben manifestiert, um bestimmte Lebensaufgaben zu meistern und daran zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Ich glaube, die Seele will Erfahrungen sammeln. Ich glaube dass wir viele Leben haben, und in jedem einzelnen andere Erfahrungen sammeln, in einem anderen Körper, unter anderen Lebensbedingungen, in einem anderen Land, um uns weiterzuentwickeln. Es kommt nicht von ungefähr, wo und von wem wir geboren werden. Ich glaube, wir suchen uns sehr genau unsere Eltern, die Lebensumstände und die Umgebung aus, in die wir hineingeboren werden.

Ja kannst du das denn belegen? fragen sich jetzt vielleicht einige von euch. Woher willst du das denn wissen?
Das mit dem Belegen ist so eine Sache, wenn es um Glaubensfragen geht, das kann letztendlich niemand bis zur letzten Gewissheit, niemand weiss woher wir kommen, wenn wir aus unserer Mutter rausflutschen, oder wohin wir gehen, wenn wir die Augen für immer zumachen. Wie gesagt, für mich gibt diese Sicht auf das Leben, auf das Sterben, auf alles was auf dieser Erde passiert, einfach am meisten Sinn. Ich möchte damit weder jemanden belehren noch ihm dieselbe Sichtweise aufzwingen.
Laura Malina Seiler, von der ich dieses Buch gekauft habe, vertritt beispielsweise ganz ähnliche Überzeugungen wie ich. Ich werde aber in einem anderen post noch näher auf sie und dieses Buch eingehen. 


Erschienen in 3. Auflage 2018 im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg


Pierre Teilhard de Chardin, ein französischer Jesuit und Naturwissenschaftler, der von 1881- 1955 gelebt hat und der Religion und Naturwissenschaften auf ziemlich faszinierende Weise miteinander verbunden hat, sagte etwas Erstaunliches, das mich sehr fasziniert hat: 

„Wir sind nicht Menschen, die spirituelle Erfahrungen machen, sondern spirituelle Wesen, die menschliche Erfahrungen machen.“

Ist das nicht grandios?
Ich meine, er war Naturwissenschaftler! Paläontologe, Anthropologe und Philosoph, um genau zu sein.

Das Wort Spiritualität hat vielerorts einen komischen, meist etwas negativen touch. Viele Leute denken dabei spontan an die Esoterik-Ecke und wollen von Spiritualität nichts wissen. 
Auch dieses Feld ist gross. Auch darin tummeln sich sowohl viel Unsinn als auch wahre Perlen.
Ohnehin muss ich gestehen, dass ich Mühe habe mit diesen Schubladisierungen und Kategorisierungen. Ich finde, jeder Mensch sollte das denken und glauben, was ihm dient und nützt und ihn zu einem besseren Menschen werden lässt. Ob das nun als spirituell, esoterisch oder was auch immer ist, ist doch nicht wichtig. Ja, viele Menschen werden sogar von so wichtigem Wissen abgehalten, nur weil es die Etikette "Spiritualität" trägt und sie damit etwas Doofes assoziieren. Das finde ich extrem schade. 
Deshalb: ich kann spirituell und trotzdem bodenständig bzw "down to earth" sein. Oder umgekehrt, um mir spirituelles Wissen anzueignen muss ich nicht in undefinierbare Gefilde entschwinden und zu einem erleuchteten Guru werden. 

Der Satz von de Chardin passt haargenau zu meiner Überzeugung.

Und da muss ich dann an dieser Stelle auch kurz über Gott sprechen. Gott ist für mich nicht der Mann mit dem weissen Bart, der im Himmel sitzt.
Und doch glaube ich an Gott. 
Gott manifestiert sich für mich im gesamten Universum, er (bzw. sie oder auch es) ist in allem was lebt, das Göttliche manifestiert sich durch jeden von uns, durch jedes Lebewesen, jede Pflanze, jeden Stein, Gott ist reine, pure Liebe. Gott IST.
Wie auch alles im Universum IST.
Wenn ich vom Vertrauen ins Universum schreibe, könnte ich deshalb gleichwohl auch sagen, ich vertraue in Gott. Denn Gott ist für mich alles. 
Gott manifestiert sich in den Polaritäten von Gut und Böse, Schwarz und Weiss, Dunkelheit und Licht, Armut und Reichtum, Trauer und Freude, er ist sowohl das eine wie auch das andere. 

Aus dieser festen Überzeugung leitet sich für mich persönlich die Überzeugung ab, dass alles im Leben einen Sinn hat, so auch die schlimmen Dinge, es ist einerseits diese ewige immerwährende Pendelbewegung des Universums zwischen den beiden Extrempolen, und andererseits die Chance, gerade an den schlimmsten Dingen zu wachsen und darin die grösste Entwicklungschance zu entdecken, die mich in dieses Urvertrauen hineinwachsen lässt, in eine Gewissheit, dass wir alle getragen sind.
Getragen. Auch wenn ich gerade Totalschaden erlitten habe.

Dazu möchte ich euch eins der schönsten Gedichte zeigen, die ich je gelesen habe. Leider weiss ich nicht mehr, wer es geschrieben hat.
Vielleicht kennt es jemand von euch?
Es tröstet mich so sehr wie fast nichts anderes, wenn es dunkel ist, es lässt mich Zuversicht spüren auch dann, wenn ich glaube dass alles verloren und vorbei ist.




beide Bilder by SelinaDacy


Im Begriff „Zugrunde gehen“ liegt für mich die totale Hoffnungslosigkeit, das Scheitern, das Fallen, Auseinanderfallen, das Nicht-Mehr-Können.

Aber ich darf zugrunden gehen, ich darf scheitern, fallen, sogar auseinander fallen, und es gibt immer noch einen Grund der mich trägt. Und wenn es einen Grund gibt, der mich trägt, ist dieser tragende Grund, der mein Zugrundegehen auffängt, auch gleichzeitig ein tragendes Fundament, auf dem es mir gelingt irgendwann wieder aufzustehen und etwas Neues, vorerst vielleicht zartes, wackliges, zu erschaffen. Ich falle nicht ins Bodenlose. Nie.

Der Grund trägt.
Das Universum trägt.
Auch in der Dunkelheit.
Auch in der Armut.
Auch in der schlimmsten Krise oder Katastrophe.
Und ebenfalls hilft mir dieses Vor Augen führen der Polaritäten immer wieder zu erkennen, dass ich mich, wenn ich mich gerade in der Dunkelheit befinde, einfach am einen Ende einer Achse befinde, an deren anderem Ende das Licht ist. Ich kann mich auf dieser Achse darauf zubewegen. Das Licht ist da, und die Pendelbewegung des Lebens lässt mich auch wieder ans andere Ende der Achse gelangen.

Wenn ich es zulasse.

Wenn ich weiss wie.

Wenn ich noch einmal auf Teilhard de Chardin zurückkomme, der sagt, wir seien spirituelle Wesen die menschliche Erfahrungen machen wollen, dann ist folgender Gedanke, den ich immer dann denke, wenn gerade gar nichts mehr geht, wenn ich am Grund angelangt bin und nur noch liegen bleiben möchte, meine Rettung, mein Halt und auch eine Art "Durchhalteparole":

Meine Seele will Erfahrungen machen.

Und wenn ich in einem Loch drin stecke, möchte meine Seele einfach gerade eine bestimmte Erfahrung machen.
Vielleicht kann dir diese Betrachtungsweise auch helfen, eine Krise auf eine andere, tröstliche Art zu betrachten?

Ich halte also für mich fest:
Die "schlimmen" Dinge sind unsere allergrössten Chancen, uns weiterzuentwickeln. Und sie sind einfach nur die eine Seite von zwei Polen, zwischen denen das Leben hin und herpendelt. Beide Pole SIND. 
Gibt das nicht einen ganz anderen Lebensmut, eine neue Perspektive, ist es nicht eine Art, das Leben zu betrachten, die Mut macht anstatt Hoffnungslosigkeit zu produzieren?
Hier geht es für mich dann auch nicht mehr darum, mir die schlimmen, traurigen, schrecklichen Dinge wegzuwünschen, dadurch in Widerstand dem Leben gegenüber zu geraten und es mir dadurch nur noch mehr zu verbauen und in der Depression zu versinken.
Das Leben fliesst. Es pendelt. Es verändert sich.
Wenn wir dazu ja sagen, können wir die Chancen erkennen, die dieses Pendeln beinhaltet. Wenn ich in der Dunkelheit bin, nimmt das Pendel einfach nur Anlauf, um wieder ins Licht zu gelangen. Wenn wir aber nein sagen zur Dunkelheit, nein zur Krise, nein zum Schmerz, dann halten wir das Pendel auf. Dann halten wir das Leben auf. Dann machen wir es dem Leben immens schwer, sich auf das Licht zuzubewegen.
Das schlägt dann auch den Bogen zu meinem post mit dem umgestürzten Baum. "Der Raum zwischen "nicht mehr" und "noch nicht". Aus Schlimmem, Traurigem kann immer wieder Gutes hervorwachsen.

Da könnte ich dann zum Beispiel über die momentane Corona-Krise schreiben. 
Diese Krise hat für mich sowieso sehr viele Parallelen zu meiner eigenen Krise. Mit dem Unterschied, dass sie die ganze Welt betrifft. Es ist, im Grossen, ebenfalls eine Art Abrissbirne, die alles niederfegt, alles lahmlegt, bewährte Systeme aushebelt und zum anhalten, langsam machen, sich zurückziehen zwingt. Uns alle. Bewährtes bricht zusammen, zum Beispiel die Wirtschaft. Die Schulen und Geschäfte müssen zumachen. 
Ein klitzekleines Virus, nicht einmal von blossem Auge sichtbar, zwingt uns radikal umzudenken. Neu zu handeln. All unsere gewohnten Tagesabläufe über den Haufen zu werfen. 
Und vor allem auf Gedeih und Verderb loszulassen. Niemand weiss genau was morgen sein wird. Menschen sterben. In den Spitälern herrschen in gewissen Ländern teilweise kriegsähnliche Zustände, während viele Leute wenig bis gar nichts von der ganzen Aufregung mitbekommen, zu Hause sitzen und sich sogar fragen, was das alles soll. Andere rebellieren, wollen sich nicht bevormunden lassen und finden die Saktionen vom Staat eine bodenlose Frechheit. 
Von einer Stunde auf die andere kann sich alles verändern. Dies zwingt uns dazu, sowohl flexibel als auch offen zu sein für alle Arten von Veränderung. Offen zu sein für den Fluss des Lebens, von dem uns hier einmal mehr vor Augen geführt wird, dass wir ihn nur bedingt steuern können. 
Oder wie John Lennon sagte: 

"Life is what happens to you while you're busy making other plans."

Ebenfalls zwingt diese Krise alle Menschen dazu, ihren tiefsten Ängsten und Schwierigkeiten ins Auge zu sehen. Existenzängste kommen da massiv auf den Plan, die Angst der Verantwortung, jemanden anzustecken, Verlustängste, die Angst, jemand nahestehenden zu verlieren. Aber auch Wut, Reizbarkeit, Hilflosigkeit, vielleicht eine Opferhaltung.
Es liegt an jedem einzelnen von uns, dies alles als Chance wahrzunehmen. Ja zu sagen. Hinzuschauen. Auch wenn es ultraunangenehm ist. Und nervig. Auch ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich ächze unter der neuen Last, beide Kinder rund um die Uhr zu Hause, allein, viel Lärm, es fordert mich bis aufs Äusserste, und oft wünsche ich mir einfach nur meine Ruhe und endlich wieder ein bisschen "Normalität". 
Und dann reisse ich mich wieder zusammen und besinne mich darauf, dass auch dies mich wachsen lässt. Ich erlebe gerade eine Pandemie mit! Wie wird es sein, wenn ich in ein, zwei, drei Jahren zurückblicke? Auf dieses 2020?

Es kann etwas Neues aus dem allem erwachsen. Noch sehen wir es nicht. Noch sehen wir vielleicht nur die Katastrophe, die Veränderung, auch vor allem das Mühsame, den Einschnitt in unser aller Leben, aber nicht was uns das bringen könnte. Auch hier tut sich ein Raum zwischen "nicht mehr" und "noch nicht" auf. Wird es uns als Menschheit gelingen, die Chancen in so einer globalen Krise zu entdecken? Und vor allem, wird es uns gelingen, nicht einfach "back to Alltag" zu gehen, sondern neue Strukturen zu etablieren, da wir erkannt haben, dass viel Altes nicht mehr taugt? In China zum Beispiel, das dabei ist die Krise zu überwinden, scheint doch bei vielen Leuten ein gewisses Umdenken stattzufinden.


by SelinaDacy

Ich weiss, nicht jeder von euch teilt diese meine Sicht. 
Für manch einen von euch mag das ganz seltsam, vielleicht etwas entrückt, verrückt oder weltfremd klingen.
Es gibt ja auch viele Leute, die denken, dass wir nur das eine Leben haben, und dann ist fertig. Dass es keinen Unterschied macht, ob wir hier sind oder nicht, dass wir in einem kalten, unpersönlichen, schwarzen Universum auf einer kleinen Weltkugel dahinfliegen und eigentlich ziemlich klein und verloren sind.

Das hier ist das, wovon ICH überzeugt bin.

Und mein Vertrauen ins Universum wächst ständig, je weiter ich mich auf diesen Weg begebe.
Dadurch gelingt es mir immer öfter, in der Liebe zu sein und nicht in der Angst.


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