Achtsamkeit oder: das Glück der kleinen Dinge

Achtsamkeit: Schon fast zu einem abgegriffenen Modewort verkommen?

Manchmal macht es den Eindruck. An jeder Ecke gibt es Achtsamkeitskurse, Achtsamkeitsmeditationen, Achtsamkeitsretreats und und und. Und doch habe ich sie gerade wieder für mich entdeckt, in einem ganz anderen Zusammenhang:

Dein Leben ist so bunt wie du dich traust es auszumalen.

Ja, einerseits ist es ein "getrauen". Und das wiederum hängt dann auch mit den Glaubenssätzen zusammen. Aber das ist nochmal ein anderes Thema, um das es in diesem Artikel nicht gehen soll. In diesem Artikel geht es in gewissem Sinne um die "Erlebnisfähigkeit." Oder "Dein Leben ist so bunt wie du es wahrzunehmen imstande bist."

Wir erleben die Welt durch unsere Sinne. Treten in Beziehung zum Aussen mit unserem Tast-, Seh, Geruchs-, Geschmacks- und Hörsinn. Je geschärfter und feiner diese Sinne sind, desto feiner kann man auch die Welt wahrnehmen. Zum Schärfen der Sinne kommt dann die Achtsamkeit hinzu. Oder schärft Achtsamkeit automatisch die Sinne? Was war zuerst da? Huhn oder Ei?

Letztendlich spielt es keine Rolle.

Wenn ich meine (geschärften) Sinne mit der Achtsamkeit kombiniere, explodieren meine Glückshormone manchmal regelrecht. Einfach so. Da muss kein Sonnenuntergang am Strand von Goa her.

Immer mehr erlebe ich, wie unglaublich viel bunter, tiefer und intensiver mein ganz normaler Alltag wird, wenn ich mir erlaube, den Moment mit allen Sinnen auszukosten. Wenn ich bewusst hinfühle. Hinsehe. Hinrieche. 

Meine Hand ins Sternchenmoos grabe, anstatt es einfach nur mit den Augen zu bewundern oder nach einem schnellen Blick darauf, daran vorbeizulaufen. 




Entzückt fühle, wie es sich weich und zärtlich an meine Hand schmiegt, biegsam, anschmiegsam. Die grüne Schönheit neben meiner braunen Haut wahrnehme. Und dabei tief einatme, um den Waldgeruch so richtig zu inhalieren. 

Das erschafft unvergessliche Momente, die sich ins Gedächtnis eingraben, von denen ich zehre, wenn der Alltag trubelig, stressig oder für mich als Hochsensible einfach anstrengend ist. Ich versuche, Entschleunigung und Sinn-lichkeit hineinzubringen, wo auch immer es möglich ist. Dafür muss ich nicht unbedingt in den Wald gehen, obwohl Wald im Moment DER Auftankort schlechthin ist für mich.

Anstatt einfach Kaffee zu trinken am Morgen, mache ich ein kleines Ritual daraus. Zünde ein Duftlämpchen an, setze mich auf meinen Lieblingsplatz, trinke bewusst und genussvoll, während meine Augen über das zart spriessende Grün der Bäume und Büsche vor meinem Fenster wandern.

Wer meinen Artikel "Neue Morgenroutine - setz dich mal neben eine Palme" gelesen hat, weiss, wie wertvoll für mich ein Morgenritual ist. Eine kleine Oase der Ruhe. Wenn ich bereits am Morgen meine Sinne schärfe, mich "eintune" darauf, so vieles wie möglich bewusst wahrzunehmen an diesem Tag und so "bunt" wie möglich zu erleben, bekommt der Tag eine komplett andere Qualität! Alltägliches wird so immer mal wieder zu einem kleinen Fest oder Kunstwerk! 

Und ist das Leben letztendlich nicht genau das? Ein Kunstwerk aus vielen kleinen und grossen kostbaren, wunderschönen, schmerzlichen, bangen, angstvollen, überglücklichen, bezaubernden Momenten?

Sie alle haben ihre Daseinsberechtigung. Sie machen das Leben erst bunt, facettenreich und erleb-bar, in ihrem Kontrast. Und natürlich gibt es viele Momente, die sich nicht oder nur schwer beeinflussen lassen. Aber auch hier gilt es daran zu denken, dass die überwiegende "Färbung", die deine Momente haben, letztendlich die Grundfarbe(n) deines Lebens ausmachen. Und mit dieser Gestaltungsmacht, die Momente zu drehen oder zu beeinflussen, die du beeinflussen KANNST, hast du es letztendlich in der Hand, wie bunt und glücklich dein Leben wird!

Gerade jetzt, in der Coronazeit, wo "grosse Erlebnisse" wie Reisen ans Meer nicht oder nur schwer gehen, erfahre ich immer mehr über das "kleine Glück", das aneinandergereiht ebenfalls zu einem Grossen wird. Ich nehme es als Zusammenspiel wahr zwischen der regelmässig praktizierten Dankbarkeit (Thankfulness), der Achtsamkeit, dem Schärfen der Sinne, der Veränderung des Fokus hin zum Positiven, die meinen ganz normalen Alltag immer glücklicher, runder, vielfältiger und eben bunter machen. Der Spielraum erweitert sich.

Anstatt dass ich mich beispielsweise ärgere, dass meine kleine Tochter schon wieder am Boden sitzt und nicht mehr weiter laufen will, verändere ich blitzschnell den Fokus, grabe meine Nase kurz in ihre Haare, atme ihren süssen Duft ein, küsse ihr rundes Bäckchen und erfreue mich daran, dass ich so eine lebendige, wunderschöne kleine Tochter habe, die irgendwann gross sein wird und sich nicht mehr in dieser Form knuddeln lässt. Ich speichere diesen Moment. Für die Ewigkeit.


Das bewirkt natürlich nicht, dass sie gleich aufspringt und begeistert weiter läuft - aber ICH habe aus einem Ärgermoment für mich eine kleine, kostbare Erinnerung gemacht. Einfach weil ich in dem Moment den Fokus verändert, meine Sinne anders eingesetzt und dem Moment somit eine völlig andere Qualität gegeben habe.

Das wiederum bewirkt, dass ich sie nicht anschreie, sondern ruhig und in meiner Kraft überlege, an welcher Stellschraube ich drehen könnte, damit sie aufsteht.

Unser Leben ist HIER und JETZT. Und es liegt an dir, was du aus diesem JETZT machst. Sei dir auch hier bewusst, welche Gestaltungsmacht du hast. Du entscheidest, was du gerade sehen willst. Du entscheidest, welches Gefühl du erleben willst. Zu oft haben wir das Gefühl, dass wir Opfer der äusseren Umstände sind. Dass es "halt gerade nicht anders geht, dass es halt stressig ist, dass man keine Wahl hat, weil man ja arbeiten gehen muss und nicht im Wald herumlaufen kann..."

Dann beginne damit, die Dinge, die du sowieso tun musst, mit neuen Augen zu betrachten. Bewusst zu riechen, vielleicht auch zu tasten, was du als selbstverständlich ansiehst. Den gefüllten Brotkorb. Die schön gemusterte Tischdecke.

Die Waschmaschine, die uns so unendlich viel Arbeit abnimmt. 

Das mögen kleine banale, nicht der Rede werte Dinge sein, und trotzdem verändert sich ALLES, wenn man beginnt, den Alltag bewusster auf diese Weise wahrzunehmen. Es ergeben sich plötzlich viele zauberhafte Momente, wo du nur Öde und Langeweile oder Stress vermutet hättest. Und nach und nach kannst du so immer mehr Glück in deinen Alltag zaubern.



 Womit wir wieder bei einem meiner Lieblingsthemen sind: alles ist eine Frage des Fokus.


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Alle Fotos by SelinaDacy



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